Astronomie: Bahnelemente

Gehört zu: Himmelsmechanik
Siehe auch: Sonnensystem

Benutzt: Fotos von Astrodictum Simplex

Stand: 11.06.2024

Was sind Bahnelemente?

Bahnelemente sind Werte, die die Bahn eines Körpers im Sonnensystem (Planet, Komet, Asteroid,…) beschreiben sollen.

Statt “im Sonnensystem” kann man auch analog andere himmelsmechanische Systeme betrachten z.B. den Jupiter mit seinen Monden, die Sterne, die um das Galaktische Zentrum kreisen etc.

Im Sonnensystem nimmt man gern die Bahn der Erde (Ekliptik) um die Sonne als Referenzobjekt. Dabei werden folgende Begriffe verwendet:

  • Knotenlinie: Schnittline der Bahnebene zur Ekliptikebene (Erdbahnebene)
  • Perihel bzw. Aphel: Sonnennächster bzw. sonnenfernster  Punkt der Bahn
  • Apsidenlinie: Verbindungslinie Perihel-Aphel

Als Bahnelemente bezeichnet man dann:

  • Lage der Bahn im Raum
    • Inklination: Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptikebene
    • Länge des aufsteigenden Knotens: Heliozentrischer Winkel zwischen aufsteigendem Knoten und dem Frühlingspunkt (gemessen in der Ekliptikebene)
    • Perihellänge (auch: Argument des Perihels): Heliozentrischer Winkel zwischen Perihel und aufsteigendem Knoten (gemessen in der Bahnebene)
  • Gestalt der Bahn
    • Länge der großen Halbachse der Ellipsenbahn
    • Exzentrizität der Ellipsenbahn
  • Zeitpunkt eines Periheldurchgangs

Zur Bestimmung der Bahn benötigt man sechs Bahnelemente. Carl Friedrich Gauß (1777-1855) hat gezeigt, wie aus drei vollständigen Positionsbestimmungen diese sechs Bahnelemente gefunden werden können.

Zur Verdeutlichung, was “Lage im Raum” bedeutet, finden wir bei Astrodictum Simplex  folgende schöne Diagramme:

Copyright: http://www.astrodicticum-simplex.de/wordpress/2008/02/04/basics-bahnelemente/

Abbildung 1: Inklination (Astrodictum Simplex)

Abbildung 2: Länge des Aufsteigenden Knotens (Astrodictum Simplex)

Abbildung 3: Perihel (Astrodictum Simplex)

Astronomie: Die Lagrange-Punkte

Gehört zu: Himmelsmechanik
Siehe auch: Newtonsche Mechanik, Sonnensystem, Raumsonden
Benutzt: SVG-Zeichnung aus Github, WordPress-Plugin MathJax-Latex, Google Docs, Bilder aus Wikipedia

Das Drei-Körper-Problem

Wenn man die Bewegung der Körper im Sonnensystem untersucht, sagt einem ja die Himmelsmechanik, dass das allgemeine Dreikörperproblem nicht geschlossen analytisch lösbar ist. Aber beim sog. eingeschränkten Dreikörperproblem hat man gute Lösungen, die berühmten Lagrange-Punkte L1, L2 etc. wo ja gerne Raumsonden, wie SOHO, hingeschickt werden.

Das eingeschränkte Drei-Körper-Problem

Beim sog. “eingeschränkten Drei-Körper-Problem” geht man vereinfachend davon aus, dass eines der drei Objekte viel weniger Masse hat als die anderen beiden, so dass man seine gravitative Wirkung vernachlässigen kann. Man hat dann zwei Himmelskörper, die sowohl einander als auch den kleinen dritten Körper beeinflussen, der selbst aber keine gravitative Wirkung auf die anderen beiden ausübt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bewegung eines Asteroiden in der Nähe eines großen Planeten.

Lösungen des eingeschränkten Drei-Körper-Problems

Google Slides: Himmelsmechanik: Die Lagrange-Punkte

Die bekannten Lösungen sind die Lagrange-Punkte L1, L2, L3, L4 und L5

Abbildung 1: Die Lagrange Punkte (GitHub: Lagrange_very_massive.svg)

Langrange-Punkte (aus GitHub Lagrange_very_massive.svg)

Langrange-Punkte

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lagrange_very_massive.svg

Im System Sonne-Erde befindet sich der L1 bekanntlich 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde in Richtung Sonne, der L2 ist ebenfalls 1,5 Mio Kilometer entfernt von der Erde, nur in Gegenrichtung. Da sich die Erde um die Sonne bewegt, bewegen sich die Lagrangepunkte ebenfalls und folgen ihr, also mit gleicher Winkelgeschwindigkeit.

Die Punkte L1 und L2 sind mit Satelliten besetzt. In L1 befinden sich Sonnenbeobachtungssatelliten wie z.B. SOHO. An diesem Punkt haben sie immer freie Sicht auf die Sonne. L2 ist gut für Weltraumteleskope geeignet. Hinter der Erde sind sie vor der starken Sonneneinstrahlung geschützt und können ungestört ihrer Arbeit nachgehen. Der WMAP-Satellit (gestartet 30.6.2001) untersuchte von hier aus die kosmische Hintergrundstrahlung und die Satelliten Herschel und Planck (gestartet 14.5.2009) sowie Gaia (gestartet 19.12.2013) sind hier plaziert. Auch das kürzlich (25.12.2021) gestartete James-Web-Teleskop ist auf dem L2 plaziert.

Berechnung des Lagrange-Punkts L1

Fragen wir uns mal, wo genau der Lagrange-Punkt L1 liegt. Der erste Gedanke ist, na ja, da wo die Anziehungskräfte von Sonne und Erde sich aufheben.
Das können wir ja mal ganz einfach durchrechnen mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz:

\( \Large F = G \frac{m \cdot M}{r^2} \\ \)

Wir nehmen folgende Ausgangsgrößen an:

Tabelle 1: Ausgangsgrößen zur Berechnung des Lagrange-Punkts L1

Größe Wert Einheit
Abstand Sonne-Erde 149.597.870.700 m
Gravitationskonstante 6,67259 10-11 N m2 / kg2
Masse der Sonne 1,98892 1030 kg
Masse der Erde 5,9722 1024 kg

Dann können wir die Anziehungskräfte wie folgt berechnen:

Tabelle 1: Anziehungskräfte im Sonnensystem (Google Drive: Lagrange-Punkte.xls)

Tabelle 2: Anziehungskräfte und Sonne und Erde

Entfernung von der Sonne Entfernung von der Erde Gravitation der Sonne Gravitation der Erde Gravitation Summe
1,49300000 1011 2,978707 108 -5,954 10-3 +4,491 10-3 -1,462 10-3
1,49339090 1011 2,587807 108 -5,951 10-3 +5,951 10-3 -3,602 10-9
1,49400000 1011 1,978707 108 -5,946 10-3 +1,018 10-2 +4,232 10-3

In einer Entfernung von 258 781 km von der Erde in Richtung Sonne, heben sich die Gravitationskräfte von Sonne und Erde also auf. Dort ist aber nicht der Lagrange-Punkt.

Unser “erster Gedanke” zur Berechnung der Lage des Lagrange-Punkts L1 war zu einfach. Nur im “mitrotierenden Bezugssystem” hat der Lagrange-Punkt eine feste Lage. So ein “mitrotierendes Bezugssystem” ist kein Intertialsystem und es treten zusätzlich sog. Scheinkräfte (Trägkeitskräfte) auf. In jedem Falle tritt die Fliehkraft auf und bei einem sich bewegenden Objekt käme auch noch die Corioliskraft hinzu.

Begrifflich spricht man von einem “effektiven” Gravitationsfeld, wenn  man zusätzlich zur eigentlichen Gravitationskraft die Fliehkraft hinzunimmt. Für dieses “effektive” Gravitationsfeld gibt es dann ein “effektives” Potential (als skalares Feld).

Der Lagrange-Punkt L1 mit Fliehkraft

In einem rotierenden Bezugssystem haben wir eine Fliehkraft von:

\( F(r) = m \frac{v^2}{r} = m \frac{4 \pi^2}{T^2} r \\ \)

Wobei v die Bahngeschwindigkeit bzw. T die Umlaufszeit wäre.

Zur Berechnung der Fliehkraft benötigen wir also die siderische Umlaufszeit der Bahn der Erde um die Sonne:

Größe Wert Einheit
Umlaufszeit  Sonne-Erde 31.558.149,54 s

Damit können wir berechnen, wo die Summe aus den Anziehungskräften (Beschleunigungen) und der Fliehkraft (Beschleunigung) sich aufheben:

Tabelle 3: Anziehungskräfte und Fliehkraft im System Sonne-Erde

Entfernung von der Sonne Entfernung von der Erde Gravitation der Sonne Gravitation der Erde Fliehkraft Summe
1,481000 1011 1,4978707 109 -6,051 10-3 +1,776 10-4 +5,871 10-3 -2,304 10-6
1,481064 1011 1,4914707 109 -6,050 10-3 +1,791 10-4 +5,871 10-3 1,385 10-10
1,482000 1011 1,3938707 109 -6,042 10-3 +2,039 10-4 +5,875 10-3 +3,614 10-5

In einer Entfernung von 1 491 470,7 km von der Erde in Richtung Sonne, heben sich die Gravitationskräfte von Sonne und Erde zusammen mit der Fliehkraft des rotierenden Systems also auf. Dort ist der Lagrange-Punkt L1.

Eigentlich ist ja klar, dass die Fliehkraft hier eine wesentliche Rolle spielen muss. Denn wenn die Gravitation der Erde Null wäre, würde es nur noch darum gehen, wann sich die Anziehungskraft der Sonne und die Fliehkraft der Rotation aufheben würden. Das ist logischerweise in diesem Fall genau auf der Erdbahn der Fall.

Der in etwa kugelförmige Bereich um die Erde mit dem Radius 1,491 Mio km wird auch die Hill-Sphäre genannt. Dort überwiegt also die (effektive) Anziehungskraft der Erde.

Bahnen um den Lagrangepunkt L2 des Systems Erde-Sonne

Die Lagrangepunkte L2 und L1 werden gerne benutzt, um dort bzw. in der Nähe Raumsonden (Erdsatelliten) zu plazieren, da diese der Erde folgen, aber mit Abstand. Die Raumsonden werden dabei nicht genau auf dem Lagrangepunkt plaziert, sondern in einer gewissen Bahn um den Lagrangepunkt.

Gern benutzte Bahnen um einen Lagrangepunkt sind:

  • Lissajous-Bahnen
  • Halo-Bahnen

Solche Bahnen sind aber Himmelsmechanisch nicht stabil. Es bedaf also eines Treibstoffvorrats, um ab und zu kleine Bahnkorrekturen vorzunehmen.

Grafiken zu den Lagrange-Punkten

Effektives Potential im System Sonne-Erde

In der Wikipedia finden wir folgendes Bild zu den Lagrange-Punkten:

Abbildung 2: Effektives Potential (Wikipedia: Lagrange_points2.svg)

Lagrange_points2.svg

Lagrange_points2.svg (Copyright: Wikimedia Commons

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Lagrange_points2.svg

Rote Pfeile: abwärts zum Lagrange-Punkt; Blaue Pfeile: abwärts weg vom Lagrange-Punkt.

Effektives Potential in einem engen Doppelsternsystem

Die Suche nach “Langrange” und “Roche” in der Wikipedia liefert uns auch für ein enges Doppelsternsystem (binary system) eine Grafik mit den Lagrange-Punkten, dem Center of Mass “CM” einigen Äquipotentialflächen und den Mittelpunkten der beiden Sterne.

Abbildung 3: Roche-Volumen (Wikipedia: Roche_potential_contours_q%3D3.svg)

Roche_potential_contours_q%3D3.svg

Copyright: WikiMedia Commons

Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d9/Roche_potential_contours_q%3D3.svg

Dort, wo Äquipotentialflächen des linken Sterns die Äquipotentialflächen des rechten Stern berühren (L1), wäre ein möglicher Übergangspunkt, wo Materie von einem Stern zum anderen überfließen könnte. Die tropfenförmigen inneren Bereiche um die beiden Sterne nennt man auch die Roche-Volumen (Roche Lobe) der beiden Sterne.

Wenn ein Stern größer als sein Roche-Volumen wird, fließt in der Tat Materie zum anderen Stern. Die überfließende Materie hat in der Regel auch einen Drehimpuls, der erhalten bleibt. Es bildet sich deshalb eine Akkretionsscheibe um den aufnehmenden Stern.

Physik: Kreisbahn – Zentrifugalkraft – Zentripedalkraft – Drehimpuls

Drehimpuls gehört zu: Astronomie, Physik, Himmelsmechanik
Siehe auch Keplersche Gesetze, Sonnensystem, Gravitation, Bohrsches Atommodell
Benutzt: WordPress-Plugin Latex

Stand: 16.12.2024

Zentrifugalkraft in einer Kreisbahn

Wenn ein Körper der Masse m (z.B. Planet oder ein Elektron im Bohrschen Atommodell) eine Kreisbahn mit dem Radius r beschreibt, so muss aus Sicht des Körpers eine Kraft in Richtung vom Mittelpunkt der Kreisbahn weg wirken:

\( F = \frac{m \cdot v^2}{r} \)

Diese Kraft nennt man “Zentrifugalkraft“. Das Bezugssystem des auf einer Kreisbahn befindlichen Planeten ist kein Inertialsystem. Die Zentrifugalkraft ist eine “Trägheitskraft” (auch Scheinkraft genannt). Die Kreisbahn kommt dadurch zustande, dass eine Kraft gleicher Größe in entgegengesetzter Richtung (Zentripedalkraft genannt) wirkt.

Kreisbahnen im Sonnensystem

Im Sonnensystem wirkt die Anziehungskraft (Graviationskraft) des Zentralkörpers Sonne (Masse M) als Zentripedalkraft auf einen Planeten (Masse m)  man hat also:

\(\frac{m \cdot v^2}{r} = G \cdot \frac{m \cdot M}{r^2}\)

Für die Kreisbahngeschwindigkeit im Sonnensystem gilt also:

\( v = \sqrt{\frac{ G \cdot M} {r}} \)

Dies ist auch ein Ausgangspunkt der Forschungen von Vera Rubin (1928-2016), die die Rotationsgeschwindigkeit in Galaxien bei unterschiedlichen Abständen vom Zentrum untersucht hat und dadurch die Existenz von sog. Schwarzer Materie bekräftigtigen konnte.

Mit den Mitteln der Vektoralgebra ausgedrückt ergibt sich die Bahngeschwindigkeit bei einer Kreisbewegung zu:

\( \vec{v} = \vec{\omega} \times \vec{r} \\ \)

Die kinetische Energie eines Planeten auf einer Kreisbahn mit dem Radius R ist:

\( E_{kin}(R) = \Large\frac{m}{2} \cdot v^2 = \frac{m}{2} \cdot \frac{G \cdot M}{R}\\\)

Die potenzielle Energie ist:

\( E_{pot}(R) = \Large \int\limits_{-\infty}^R m G M r^{-2} dr = m G M \left[-\frac{1}{r}\right]_{-\infty}^R = -m\frac{GM}{R}\)

Wasserstoffatom

Im Wasserstoffatom wirkt die elektrostatische Kraft (Elektrisches Feld) des Atomkerns  (Ladung q1) auf ein Elektron (Ladung q2) als Zentripedalkraft; man hat also:

\(\Large \frac{m \cdot v^2}{r} =   \frac{1}{4 \pi \epsilon_0} \frac{q_1 \cdot q_2}{r^2}  \\\)

Für die Kreisbahngeschwindigkeit im Bohrschen Atommodell gilt also:

\( v^2 = \Large \frac{1}{4 \pi \epsilon_0 m} \frac{q_1 \cdot q_2}{r} \\ \)

Definition des Drehimpulses

Klaro: Bei einer Rotation eines Systems vom Trägkeitsmoment J mit einer Winkelgeschwindigkeit ω habe ich einen Drehimpuls:

\( L = \omega \cdot J \\ \)

Da erhebt sich die Frage, was eigentlich ein “Trägheitsmoment” sein soll…

Im einfachen Fall von Körpern der Masse m (z.B. ein Planet) auf einer Kreisbahn vom Radius r (z.B. Sonnensystem) folgt aus der allgemeinen Definition des Trägheitsmoments J:

\( J = m \cdot r^2 \\\)

Damit wäre der Drehimpuls:

\( L = \omega \cdot m \ r^2 \\\)

Wenn wir dies mit der Bahngeschwindigkei \( v = \frac{2 \pi \cdot r}{T}  \) ausdrücken wollen, benutzen wir die Beziehung:
\( \omega = \frac{v}{r} \) und erhalten:

\(L = v \cdot m \cdot r \\\)

Gemessen wird der Drehimpuls also in den SI-Einheiten: \( \Large \frac{m^2 kg}{s} \)

Drehimpuls und die Keplerschen Gestze

Wenn der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße ist, folgt aus obiger Gleichung sofort das 2. Keplersche Gesetz.

Beispiele der Erhaltung des Drehimpulses

Wir alle kennen das Beispiel der Pirouette einer Eistänzerin. Wenn die Arme angezogen werden, verringert sich das Trägheitsmoment und die Winkelgeschwindigkeit steigt an, da der Drehimplus erhalten bleibt.