Gehört zu: Astronomie
Siehe auch: Kosmologie, Erdsatelliten, Lagrange-Punkte, Expansion des Universums
Benutzt: Fotos aus Google Archiv, Fotos aus Wikimedia
Stand: 24.06.2024
Die Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung
CMB = Cosmic Microwave Background Radiation, also die Hintergrundsrahlung
Heute messen wir eine Plancksche Schwarzkörperstrahlung von 2,7 K isotrop
Die sog. Kosmische Hintergrundstrahlung (engl. CMB = Cosmic Microwave Background Radiation), wurde 1964 von Robert Woodrow Wilson (*1936) und Arno Penzias (1933-2024) von den Bell Labs zufällig (als Störstrahlung) entdeckt. Eigentlich wollten Wilson und Penzias mit einer großen Horn-Antenne in Holmdel, New Jersey, die Kommunikation über Erdsatelliten testen. Das war das “Projekt Echo”.
Abbildung 1: Horn-Antenna in Holmdel New Jersey (Copyright: Wikimedia)
Horn-Antenna in Holmdel New Jersey (Copyright: Wikimedia)
Gleichzeitig haben die Astrophysiker Robert Dicke (1916-1997), James Peebles (*1935) und David Wilkinson (1935-2002) im nahe gelegenen Princton, die auf dem Gebiet der Kosmologie forschten, ein mathematisches Modell entwickelt, was die Entstehung und Entwicklung des Universums darstellen sollte. Dieses mathematische Modell kann als Vorläufer des heute (2021) mehrheitlich akzeptierten “Lambda CDM” (CDM = Cold Dark Matter) angesehen werden.
Dieses Modell, das sog. “Big-Bang-Modell” sagte, sozusagen als “Nachhall” des Big Bangs, eine kosmische Hintergrundstrahlung voraus, die noch heute messbar sein müsste. Eine solche Strahlung musste “nur noch” praktisch nachgewiesen werden.
Wilson und Penzias erhielten 1978 den Nobelpreis für die Entdeckung der CMB.
Robert Dicke erhielt nie einen Nobelpreis, da er selbst nichts entdeckt hatte, sondern nur etwas “interpretiert” hatte.
James Peebles erhielt 2019 den Nobelpreis für seine grundlegenden Beiträge zur Kosmologie.
David Wilkinson wurde nach seinem Tode durch die Namensänderung der Raumsonde MAP zu WMAP geehrt.
Eine Strahlung aus dem intergalaktischen Raum als Folge eines Urknalls wurde in den 1940ern von George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman postuliert. Diesen Arbeiten wurden aber zunächst kein großes Gewicht beigemessen. Erst 1964 war es dann soweit (s.o.).
Das Projekt Echo
Die Bell Labs in USA wollten in den 1960er Jahren die Telekommunikation über Erdsatelliten testen. Die Versuche begannen mit den sog. “passiven” Kommunikationssatelliten der Echo-Serie.
- Ballonsatellit Echo I: gestartet 12.8.1960
- Ballonsatellit Echo II: gestartet 25.1.1964
Den Echo II habe ich zusammen mit meinem Schulfreund Hajo damals sehr oft von der Parzelle auf dem Bremer Stadtwerder mit freiem Auge beobachten können. Ebenso konnten wir schöne Fotos von den Durchgängen des Erdsatelliten Echo II machen. Diese Fotos sind aber heute nicht mehr in meinem Besitz.
Mein Bruder Rainer hat noch ein schönes Foto von 1964 gefunden. Er hat es am 25. November 1964 um ca 18:15 UT von unserem Haus in Bremen aufgenommen. Die Unterbrechungen wurden ca. alle 5 Sekunden vorgenommen, um die Geschwindigkeiten anzuzeigen. Der helle Stern im linken oberen Quadranten ist Atair (α Aql).
Abbildung 2: Bremen 1964, Echo I und Echo II (Google Drive: 1964-11-25b.jpg)
Im Internet fand ich noch ein Foto, wo neben Echo I die Radioschüssel von Goldstone zu sehen ist:
Abbildung 3: Goldstone mit Echo I (Copyright JPL-Caltech/NASA) (Google Drive: Goldstone_Echo.jpg)
Mit Hilfe der Software Stellarium konnte ich herausfinden, welche Sterne auf diesem Bild zu sehen sind. Aufgenommen wurde es ja am 12.8.1960 in Goldstone bei Las Vegas. Die Sternspuren sagen, dass wir ungefähr nach Nordwest blicken. Stellarium zeigt dann gegen 4 Uhr morgens: Die beiden hellen Sterne sind Deneb (oben) und Wega (unten über dem Berggipfel), die Spur von Atair ist links neben der Radioschüssel zu sehen.
Die Satelliten Echo I und Echo II waren ja als “passive” Kommunikationssatelliten konzipiert und “nur” große Ballon-Satelliten mit einer reflektierenden Oberfläche.
Nach dem erfolgreichen Start des ersten aktiven (und zivilen) Kommunikationssatelliten Telstar am 10. Juli 1962 wurde die Antenne in Holmdel frei und konnte für die Astronomie eingesetzt werden.
Moderne Messungen der CMB
Um genauere und umfassende Messungen der CMB zu erzielen, wurden Erdsatelliten und Raumsonden verwendet:
- COBE (1989-1993)
- WMAP (2001-2010)
- PLANCK (2010-2013)
Messungen der CMB durch COBE
Der Erdsatellit COBE (= Cosmic Background Explorer) hat die Kosmische Hintergrundstrahlung (Mission 1989-1993) besser und genauer vermessen.
Wilson und Penzias hatten nur auf einer Frequenz gemessen. Mit dem Erdsatelliten COBE konnte nun ein ganzes Frequenzspektrum vermessen werden. Die Strahlungsintensität in Abhängigkeit von der Frequenz ist in dem folgenden Diagramm grafisch dargestellt.
Abbildung 4: Kosmische Hintergrundstrahlung gemessen vom Erdsatelliten COBE (Copyright Wikimedia)
Kosmische Hintergrundstrahlung gemessen vom Erdsatelliten COBE (Copyright Wikimedia)
Dieser gemessene Kurvenverlauf passt genau zum Strahlungsspektrum eines Planckschen Schwarzkörpers bei einer Temperatur von 2,73 Kelvin. Das ist sehr ungewöhnlich, weil kein anderes Objekt im Kosmos so genau der Funktion einer Schwarzkörperstrahlung folgt.
Ausserdem hat COBE die räumliche Verteilung der Strahlungsintensität (Temperatur) vermessen. Die CMB ist nahezu perfekt “isotrop” d.h. aus allen Richtungen kommt die gleiche Stahlung. Wenn etwas nicht mehr “isotrop” ist, nennt man das “an-isotrop”. Erst bei starker Steigerung der Messgenauigkeiten konnte COBE solch winzige Fluktuationen feststellen. Messungen der Anisotropie der CMB sind also Messungen der Fluktuationen. Davon stammt das bekannte Bild, das die Fluktuationen farbkodiert zeigt:
Abbildung 5: COBE: Fluktuationen in der Kosmischen Hintergrundstrahlung (Copyright: Wikimedia)
COBE: Fluktuationen in der Kosmischen Hintergrundstrahlung (Copyright: Wikimedia)
Das Bild stellt die CMB-Messungen in allen Richtungen als Kugeloberfläche in Mollweide-Projektion dar.
Bei geringerer Genauigkeit (±0,01 K), erscheint die CMB in der Tat völlig isotrop und homogen. Die Messungen des Satelliten COBE ergeben eine mittlere Temperatur der CMB von T0 =2,726 K. Die Messungen zeigten aber erstmals, dass die CMB nicht vollkommen isotrop ist. Kleine Fluktuationen (Anisotropien) sind in dem Bild sichtbar, die allerdings nahe an der Messgenauigkeit von COBE liegen. Die Messgenauigkeit liegt bei \( \frac{\Delta T}{T_0} \approx 10^{-3} … 10^{-6} \)
Quelle: http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/gebhardt/gebhardt_files/skripten/WS1314-BB/9.Fluktuation_der_Hintergrundstrahlung.pdf
Quelle: arXiv:astro-ph/9605054.
Messungen der CMB durch WMAP
Später hat die Raumsonde WMAP (Mission 2001-2010) noch genauere Messungen vornehmen können (±10-6 K). WMAP wurde am 30. Juni 2001 gestartet und auf dem Lagrange-Punkt L2 positioniert. Ursprünglich war der Name der Raumsonde MAP (Microwave Anisotropy Probe), sie wurde nach dem Tode von David Wilkinson (s.o.) in WMAP umbenannt.
Die Messungen durch WMAP und Planck zeigten in verscheidenen Richtungen minimale Schwankungen der Temperatur des CMB.
Abbildung 6: WMAP Cosmic Microwave Background Radiation (Copyright: G. Hinshaw, J. L. Weiland, R. S. Hill, arXiv:0803.0732v2)
WMAP Cosmic Microwave Background Radiation (Copyright: G. Hinshaw, J. L. Weiland, R. S. Hill, arXiv:0803.0732v2)
Die Mikrowellen-Karte des Himmels, die WMAP gemessen hat. Die Farbkodierung soll kleinste Schwankungen (Fluktuationen) der Temperatur der Hintergrundstrahlung verdeutlichen. Dabei werden Schwankungen im Bereich von Millionstel Kelvin sichtbar gemacht. Rötliche Farben signalisieren “wärmere” (+200 µK) und bläuliche “kältere” (-200 µK) Regionen.
Eine Region ist etwas kälter, weil die Massendichte dort etwas größer ist. Wenn eine Region etwas wärmer ist, kommt das davon, daß die Massendichte dort etwas geringer ist.
Was ist die Ursache für diese Dichteschwankungen? “Ausgefrorene Quantenfluktuationen” sagt man…
Messungen der CMB durch PLANCK
Nachfolger des 2009 abgeschalteten WMAP wurde die Raumsonde Planck.
Das Hauptziel der Planck-Mission ist, die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung mit einer Winkelauflösung von 5 bis 10 Bogenminuten und einer Empfindlichkeit von einem Millionstel Kelvin abzubilden.
Im Jahre 2013 wurde PLANCK endgültig abgeschaltet, nachdem zuvor schon das flüssige Helium, das als Kühlmittel für ein Instrument (das HFI) diente, verbraucht war.
Abbildung 7: Verschiedene Messungen der Kosmischen Hintergrundstrahlung: (https://archive.briankoberlein.com/wp-content/uploads/cmb1.jpg)
https://archive.briankoberlein.com/wp-content/uploads/cmb1.jpg
Filterung der CMB-Messungen
Um so feine Schwankungen sichtbar zu machen, mussten vorher diverse störende Muster aus dem sog. Vordergrund herausgerechnet werden – man sagt “gefiltert” werden.
Bei der Filterung wollen wir als erstes starke lokale Radioquellen, wie z.B. den Crab-Nebel und andere Supernova-Überreste modellieren und subtrahieren.
Als nächstes modelliert man die Radiostrahlung unser Milchstraße als Ganzes und subtrahiert dieses Signal.
Die verbleibenden Messwerte zeigen dann noch ein auffälliges Dipolmuster: Das Maximum der Strahlung aus einer ganz bestimmten Richtung (ungefähr entgegengesetzt der momentanen Rotationsrichtung des Sonnensystems in der Milchstraße) ist deutlich blauverschoben, in entgegengesetzter Richtung rotverschoben (Dopplereffekt). Die beobachtete Temperaturdifferenz ist 3,353 mK. Das wird damit erklärt, dass sich unser Sonnensystem mit etwa 370 km/s gegenüber einem Bezugssystem bewegt, in dem die Strahlung isotrop ist. Dieses Dipolmuster (“Dipolanisotropie”) wird subtrahiert.
Stichworte: ILC (=Internal Linear Combination), Wiener Filter,…
Link: arXiv:1006.0916v1 [astro-ph.CO]
Deutung der Temperatur-Fluktuationen in der CMB
Quelle: http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/gebhardt/gebhardt_files/skripten/WS1314-BB/9.Fluktuation_der_Hintergrundstrahlung.pdf
Um die sehr kleinen Temperaturdifferenzen genauer zu untersuchen, stellt man die Messungen als sog. “Leistungsspektrum”, auch “Winkelleistungsspektrum” genannt, dar. Dazu werden immer zwei Messungen in einem bestimmten Winkelabstand gemacht und die Messwerte miteinander korreliert.
Abbildung 8: Leistungsspektrum der CMB (Copyright Wikipedia: PowerSpectrumExt.svg)
Leistungsspektrum (Copyright Wikipedia)
Vereinfacht gesagt ist auf der x-Achse (Abszisse) der Winkelunterschied von je zwei Messungen aufgetragen und auf der y-Achse (der Ordinate) der Temperaturunterschied der beiden Messungen. Das erste Maximum ist bei einem Winkelunterschied von ca. 0,9°, das zweite Maximum liegt bei einem Winkelunterschied von ca. 0,3°. Man nennt das auch “Angular Power Spectrum”. Die Analyse ist analog einer klassischen Fourier-Analyse in der Ebene.
Links: http://www.quantumfieldtheory.info/cmb_vers_2.pdf
Man kann diese Kurve nun vergleichen, mit entsprechenden Kurven, die sich aus bestimmten mathematischen Modellen der Entwicklung des Universums ergeben.
Das sog. Lambda-CDM-Modell zeigt bei bestimmter Wahl seiner Parameter eine gute Übereinstimmung mit diesem gemessenen Winkelleistungsspektrum.
Die Astrophysiker haben ein mathematisches Modell entworfen, das die Entwicklung des Universums seit dem Urknall beschreibt. Mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate kann man die Modellparameter, die die beste Passung ergeben bestimmen. Das ganze nennt sich “Lambda-CDM-Modell”, was auch als “Standardmodell der Kosmologie” bezeichnet wird.
Die Parameter des Lambda-CDM-Modells
Das sog. Lambda-CDM-Modell zeigt bei bestimmter Wahl seiner Parameter eine gute Übereinstimmung mit dem von PLANCK gemessenen Winkelleistungsspektrum. Es liefert u.a. folgende Werte:
Tabelle 1: Parameter des Lambda-CDM-Modells
Parameter |
Wert |
Bemerkung |
Alter des Universums |
13,8 Mia Jahre |
|
Hubble-Parameter
|
67,7 km/s /Mpc |
heute |
Baryonische Materie |
4,9% |
„normale“ Materie |
Dunkle Materie |
25,9% |
|
Dunkle Energie |
69,1% |
|
Zeit der Entkopplung/Rekombination |
377 700 Jahre |
z=1090 |
… |
|
|